3. Preis Schussenpark Ravensburg 2022

Stadt Land Fluss - ein bekanntes Spiel

Doch wo ist der Fluss?

Eingezwängt in ein Korsett aus Steinen wird die Schussen kanalartig auf möglichst engem Raum durch die Stadt geführt. Industrie und Verkehr haben dem Gewässer seine Aue geraubt. Mit dem Schussenpark bekommt der Fluss einen (kleinen) Teil davon zurück, die Bürger einen Park mit erlebbaren Wasserläufen ̶ aus einer Wärmeinsel wird eine Oase und grüne Lunge.

Die großflächige Versiegelung der Flächen zwischen Schussen und Bahn wird aufgebrochen, die Auffüllungen in der Aue werden rückgängig gemacht. Der Steinverbau wird zumindest in Teilen rückgebaut und dort, wo erforderlich, durch ingenieurbiologische Bauweisen und schlafende Sicherungen ersetzt.

Der neue Schussenpark ist aus allen vier Himmelsrichtungen erreichbar. Der motorisierte Verkehr wird so weit wie möglich aus dem Gebiet herausgehalten. Der ruhende Verkehr wird in einer in Teilen 2-geschossigen, locker mit Bäumen überstellten Parkierungsanlage im Süden konzentriert. Das ermöglicht den Querschnitt der weiter nach Norden führenden Straße zu reduzieren und ab der Wendeplatte nördlich der Bebauung als Promenade (im Bedarfsfall mit Kraftfahrzeugen befahrbar) zu reduzieren. Dieser leicht auf- und abwogende Weg am Hochufer bildet das Rückgrat des neuen Parks und stellt die Fuß- und Radwegeverbindung nach Norden her. Von Osten aus der Altstadt ist der Park über den translozierten Eschersteg und die bestehende Bahnunterführung erschlossen. Nach Westen zum Sportgelände Rechbergwies gelangt man über einen neuen Fußgängersteg (Ersatz für überdimensionierte, bei Hochwasser eingestaute Brücke).


Verteiler und Drehscheibe in alle Richtungen ist dabei der neue Escherplatz. Ein großzügiges Holzdeck als Bühne und eine mit Segeln überspannte Multifunktionsfläche bieten Raum für Events wie kleinere Konzerte, Open-Air-Kino, Theater und Kleinkunst. Gleichzeitig erhöhen Sitz- und Liegemöglichkeiten die Aufenthaltsqualität für die Mittagspause oder eine kurze Rast auf der Fahrradtour entlang der Schussen. Für den Alltag ist hier ein Trinkbrunnen vorgesehen, für Events soll das Catering über Food Trucks erfolgen. Der Höhenunterschied zwischen Platz und Aue wird durch Stützmauern aus Stampfbeton überwunden, die in Teilen als Boulderwand genutzt werden. Großzügige Stufen und Sitzstufen ermöglichen den Zugang zur Aue.

Die Höhenunterschiede von der Promenade zur Bahn und zur Aue werden auf engem Raum durch architektonisch kantig ausgeprägte „Krainer-Wände“ aus Robinien- oder Eichenholz überwunden. Diese werden mit Steckhölzern von Weiden und anderen Gehölzen begrünt und rücken die Bahn optisch in den Hintergrund. Durch den regelmäßigen abschnittweisen Rückschnitt der Gehölze wird das Bauwerk stabil erhalten; gleichzeitig werden immer wieder neue Sichtbeziehungen in die Aue geschaffen. Darüber hinaus ermöglicht die Kontrolle von Höhe und Ausdehnung eine Ausführung in der Rückschnittzone der Bahn (Oberleitungen). Im Übergang zu den Eidechsenbiotopen entlang der Bahnlinie erfolgt die Hinterfüllung der Krainer Wände mit Schotter und groben Wacken, so dass diese auch als Echsenhabitat geeignet sind.

In der Aue ist das Gelände weich, wie vom Fluss gestaltet modelliert. Dieser Bereich ist von Wiesen und einzelnen Solitärbäumen geprägt. Der wieder geöffnete, mäandrierende, flach zugängliche Flappach ist Hauptdarsteller eines großen Naturerlebnis- und Spielbereichs. Baubiologische Türme aus Weiden und Mikados aus Treibholz bieten in Verbindung mit Seilbrücken, Tauen und Netzen eine Vielzahl von Spiel- und Entdeckermomente. Trittsteine, Stauwehre, Sand- und Kiesflächen stehen den Kindern am Matschplatz zur Verfügung. Um die kleinen Forscher bei Starkregenereignissen vor rasch auftretenden Hochwassern des Flappachs zu schützen wird nur eine definierte Menge durch den Spielbereich geleitet, Hochwasser werden über eine Entlastungsmulde der Schussen zugeführt.

Am Fluss in der Weichholzaue wechseln sich flache Ufer am Gleithang mit steileren Abschnitten am Prallhang ab. Weiden, Erlen, Schwarzpappeln und andere Ufergehölze säumen in Verbindung mit Hochstaudenfluren das Gewässer und sorgen mittelfristig wieder für Beschattung und Biotopstrukturen am Schussenufer. Kiesstrände mit verankertem „Schwemmholz“, Findlingen und Trittsteinen machen den Fluss erleb- und bespielbar. Durch den Einbau von Buhnen, Stammbuhnen, Strömungstrichtern und Wurzelstöcken wird das homogene Strömungsbild im Gewässer aufgelöst und mit der Kraft des Wassers vielfältige Strukturen und somit Habitate für Makrozoobenthos und Fischfauna im Gewässer geschaffen.

Im Norden des Parks befindet sich am „großen Schussenblick“ der höchste Punkt des Geländes. Hier werden Aushubmassen der Fließgewässerrevitalisierung zu einem artifiziellen geometrischen Erdkörper modelliert, der gleichzeitig Ausblicke in die neue Auenlandschaft ermöglicht, den angrenzenden Parkplatz abschirmt, und mit seiner Pappelgruppe auch einen Blickfang aus der Aue heraus darstellt. Der kleine Schussenblick – ein weiterer geometrischer Erdkörper aus Aushubmassen markiert den Übergang vom landschaftlichen geprägten Teil des Parks zu den immer urbaner und intensiver ausgestalteten Arealen bei der Bebauung im Süden. Die Bahnunterführung wird an das neue Geländeniveau angepasst (Zugang auf Niveau von HQextrem), die Anzahl der Stufen deutlich reduziert und somit der Zugang heller und freundlicher. Locker mit Bäumen überstellte Stufen und Sitzstufen bieten hier den direkten Zugang zum Wasser. Bei Bedarf könnte diese als Einstieg für Kanus gestaltet werden.

Hier findet sich auch der Schwerpunkt der Sportanlagen. So wird am Rande einer Reihe bestehender Platanen ein Kleinspielfeld und eine Callisthenics-Anlage verortet. Beachvolleyballfeld und Tischtennisplatten befinden sich im Übergang zur Aue.

Die große asphaltierte Fläche zwischen „Gleis 9“ und der Ergotherapieschule wird entsiegelt und als ein baumbestandener Platz (Baumrigolen) mit wassergebundener Decke (Stabilizer) ausgeführt. Mit Stauden bepflanzte Retentions- und Sickermulden, Sitz- und Liegedecks aus Holz und Hochbeete (Essbare Stadt) sorgen für Aufenthaltsqualität.


Im gesamten Gebiet wird das anfallende Regenwasser direkt in den angrenzenden Grünflächen versickert, über die Krainer Wände verrieselt oder in Baumrigolen gespeichert. Durch die großzügige Aufweitung der Schussenaue werden darüber hinaus Retentionsräume für Schussen und Flappach geschaffen. Die Wiesenflächen der Aue können das Wasser gleich einem Schwamm aufnehmen und nach Abfluss der Hochwasserwelle über die Verdunstung an die Umgebung abgeben.

Das Konzept sieht vor, Erdaushub in den beiden Geländehochpunkten wieder einzubauen. Darüber hinaus sollen die bestehenden Flussbausteine als Stör- und Trittsteine und als verlorene Sicherung wieder eingebaut. Gerodete Ufergehölze werden als Stammbuhnen, Raubäume und andere Strukturen im Gewässer wieder eingebaut. Durch die Verwendung von Holz in den Krainer Wänden in Verbindung mit lebenden Pflanzen kann die Verwendung von CO2 intensiven Stützmauern aus Beton reduziert werden.

Weitere Informationen unter:

Competitionline.com

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