Der Umbau des Neckars in Rottweil zurück zu einem naturnahen Zustand hat begonnen. Der Baustart erfolgte im Oktober 2024. Kinder des kath. Kindergartens Rottweil-Altstadt symbolisieren mit ihren blauen Fahnen den zukünftigen Verlauf des Flusses.

Gemeinsam mit dem Landschaftsarchitekturbüro Geitz & Partner GBR und der Weber-Ingenieure GmbH aus Pforzheim haben wir im Auftrag der Stadt Rottweil die Revitalisierung des Neckars im Bereich der Landesgartenschau Rottweil 2028 geplant.

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Ziele der Revitalisierung

Ziele der Revitalisierung des Neckars sind ein guter ökologischen Zustand des Gewässers nach Vorgaben der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie und Schaffung eines vielfältigen und erlebnisreichen Bereichs  für Mensch und Natur. 

Zudem soll der Hochwasserschutz verbessert werden.

Die nachfolgenden Bilder zeigen den Neckar im Zustand vor der Maßnahme.


Ist-Zustand

Der Neckar zwischen Primmündung und dem künftigen Kerngebiet der Landesgartenschau („In der Au“) ist in den 1930er Jahren künstlich geschaffen worden, da der ursprüngliche Flussarm dem Bahnhofsgelände weichen musste. Ein Großteil des Bahnhofsgeländes wurde künstlich aufgeschüttet, der alte Flussarm verfüllt.

Zwischen der Wasserkraftanlage der ENRW und der Mündung der Prim ist der Neckar auf einer Länge von ca. 900 m und einer Tiefe bis zu 3,0m aufgestaut. Dieser Stau ist aus gewässerökologischer Sicht ein großes Problem, da durch die Wehranlage eine Barriere im Fluss entstanden ist, was u.a. zu einem gestörten Sedimenthaushalt und zu einem Verlust von Laichhabitaten standorttypischer Fischarten führt, da feiner Schlamm sich im Staubereich absetzt und das Lückensystem der kiesigen Sohle zusetzt. Auch das so wichtige Makrozoobenthos (Fischnährtiere) kann sich in der schlammigen Sohle nur schwer entwickeln.

Außerdem kann es aufgrund der fehlenden Wasserbewegung zu sauerstoffarmen Verhältnissen im Gewässer kommen, womit insbesondere empfindliche und gefährdete Arten wie die Äsche zu kämpfen haben.

Planung

Die Planung zur Revitalisierung des Neckars sieht vor, den Bereich zwischen der Primmündung und der Wehranlage der ENRW wieder in ein Fließgewässer umzuwandeln. Die Wasserkraftnutzung wird aufgegeben, so dass das Wasser in Zukunft nicht mehr angestaut werden muss. Dadurch erhält der Fluss seine fließgewässertypischen Lebensräume und Strukturen zurück, was zu einer erheblichen ökologischen Aufwertung insbesondere für empfindliche Fischarten wie die mittlerweile seltene Äsche führt.

Besonders wertvoll für die Revitalisierung des Neckars ist der Mündungsbereich der Prim, da hier zwei Gewässer mit unterschiedlichen Dynamiken wertvolle, sich dauernd verändernde Standorte schaffen werden. Dieser Mündungsbereich wird aufgeweitet, so dass sich Kiesinseln bilden können. Etwas flussabwärts werden in der Aue zwei neue Flussarme gebaggert, was zur Bildung von zwei Inseln führt.

Das Neckartal soll wieder für die Menschen als Naherholungsgebiet interessant werden. Mit attraktiven Wegen für Spaziergänger, Radfahrer und Menschen, die auf Barrierefreiheit angewiesen sind, werden Plätze zum Rasten, Picknicken, Genießen und Sonnenbaden in der Au geschaffen und so ein attraktiver Freizeitbereich gestaltet, welcher die Zeit der Landesgartenschau überdauern wird und den Ort auf lange Sicht hin bereichern wird.


Der bisherige am Neckar verlaufende Asphaltweg wird hierfür zurückgebaut, in Zukunft wird es stattdessen einen schmalen Pfad zur Naturbeobachtung geben. Als Wegeverbindung wird auf dem Bahngelände oberhalb der Neckarböschung ein neuer Rad- und Fußweg angelegt. Von dort aus ergeben sich immer wieder Blickbeziehungen zum Neckar.

Der kleine Weiher nördlich des Neckars wird erweitert, damit der im Staubereich des Neckars vorkommende Zwergtaucher auch in Zukunft ein geeignetes Stillgewässer-Bruthabitat vorfindet.


Im Bereich zwischen den Felsen und der Bahnböschung ergibt sich ein idealer Standort für den neuen Pegel, da dort auch Extrem-Hochwasser-Ereignisse messtechnisch vollumfänglich erfasst werden können (der bestehende Pegel wird im Rahmen der LGS-Planungen zurückgebaut).

Das Kraftwerk mit der Wehranlage selbst wird nur in Teilen zurückgebaut. Ein Teil der Infrastruktur kann für Gastronomie oder kulturelle Zwecke weiterverwendet werden. Das alte Wehr wird als Übergang für Fußgänger umgebaut.

Damit die Vegetation am Gewässer sich auf die neue Situation einstellen kann, wird der Wasserspiegel im Staubereich des Neckars schrittweise abgesenkt. Eine erste Absenkung um 1,0 m erfolgte im Jahr 2023. Weitere Absenkschritte erfolgten bis zum Baubeginn der Neckarrevitalisierung im Sommer 2024.

Im neuen Flusslauf sind zwischen der Primmündung und „In der Au“ einige „Rauschen“ geplant. Dies sind Flussabschnitte mit steilerem Gefälle, die zur Überwindung größerer Höhendifferenzen auf kurzer Strecke dienen. Es werden größere Wasserbausteine eingebaut, die zur Bildung tieferer Wasserbecken führen (Pools) und den Fischen die Wanderung flussaufwärts erleichtern. Durch die Wasserverwirbelungen wird dem Fluss reichlich Sauerstoff zugeführt.


Insgesamt wird sich der Neckar im Maßnahmenbereich in Zukunft sein Gewässerbett zumindest in gewissem Umfang wieder selbst gestalten können, z.B. indem nach Hochwasserereignissen neue Kiesinseln entstehen. Diese Dynamik und diese stetigen Veränderungen zeichnen einen vitalen Fluss aus, der Raum für viele Tier- und Pflanzenarten bietet und für den Menschen zu einem spannenden Erlebnis wird.


weitere Informationen: Interview mit Christian Seng

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